Interview mit Staatssekretärin Iris Spranger

Der Senat hat am 19. Juli den Entwurf des Haushaltsplans für 2012 und 2013 und die Finanzplanung beschlossen. War das angesichts der Tatsache, dass am 18. September gewählt wird, überhaupt noch notwendig?

Unsere Überlegung war: gerade weil im September gewählt wird, wollen wir transparent und offen zeigen, wie wir die finanziellen Probleme der Stadt lösen wollen und für welche politischen Schwerpunkte wir stehen. Wahlprogramme kann jeder schreiben, beim Haushalt kommt es aber zum Schwur, weil man sich zwischen dem Wichtigen und dem weniger Wichtigen entscheiden muss. Daran kann man gemessen werden, daran wollen wir uns messen lassen.

Aber ein neuer Senat könnte vielleicht andere Schwerpunkte setzen?

Auch jeder zukünftige Senat wird sich innerhalb derselben finanziellen Rahmenbedingungen bewegen müssen, es gibt keine Spielräume für Träumereien. Andere Parteien können zwar andere Schwerpunkte setzen, dazu müssen sie jetzt aber sagen, durch welche Abstriche an anderer Stelle sie diese finanzieren werden. Dazu wird es aber nicht kommen, weil Klaus Wowereit auch den nächsten Senat führen wird.

Berlin ist verpflichtet, bis 2020 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen. Wie wollen Sie das erreichen?

Wir sind verpflichtet, jedes Jahr 200 Mio. € unseres Defizits abzubauen. Tatsächlich schaffen wir einen schnelleren Abbau, weil wir die Ausgaben nur sehr begrenzt um 0,3 % wachsen  lassen, während die Einnahmen sehr viel stärker steigen werden, und zwar auch dann, wenn der wirtschaftliche Boom nachlassen sollte. Damit werden wir schon deutlich vor 2020 einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen können. Das hätte einen kurz- und einen langfristigen Effekt: Unseren Kindern und Enkeln könnten wir sehr viel weniger Schulden hinterlassen. Nach der alten Finanzplanung sollte der Schuldenberg Berlins bis 2014 noch auf über 71 Mrd. € anwachsen, nach der neuen Planung werden es rd. 6 Mrd. € weniger sein. Der kurzfristige Effekt ist, dass wir dadurch auch weniger Zinsen zahlen müssen und damit Handlungsspielräume gewinnen.

Heißt das, es wird weiter gespart auf Teufel komm raus?

Nein, die ganz großen Sparmaßnahmen sucht man in diesem Haushalt vergeblich. Das war auch gar nicht nötig, denn auf kurzfristiges Paniksparen kann verzichten, wer auf lange Sicht steuert. Wir haben uns hunderte von Einzelpositionen angeschaut und immer wieder die Fragen gestellt: ist das notwendig und wie bekommen wir das in unserer 0,3 %-Linie untergebracht?

Wo liegen die Schwerpunkte dieses Haushalts?

Die Schwerpunkte heißen: Bildung und Bezirke. Der Bildungsbereich mit 4,2 Mrd. € ist der am stärksten wachsende Teil des Haushalts. Das mussten die anderen Ressorts mitfinanzieren. Außerdem haben wir die Zuweisungen an die Bezirke erhöht, damit sie die Belastung der steigenden Sozialausgaben bewältigen können.

Was passiert konkret im Bildungsbereich?

Alle freiwerdenden Lehrerstellen können sofort neu besetzt werden. Zusätzlich schaffen wir 100 neue Lehrerstellen insbesondere für die weitere Umsetzung der Schulstrukturreform. Wir bauen den Ganztagsbetrieb an den Sekundarschulen aus. In den Kindertagesstätten werden die im letzten Jahr beschlossenen Qualitätsverbesserungen finanziell abgesichert und der Ausbau des Rechtsanspruchs wird fortgesetzt.

Und das Bildungs- und Teilhabepaket?

Alle Leistungen des Bildungs- und Teilhabepaketes sind finanziert. Allerdings würde ich mir eine bessere Inanspruchnahme dieser Leistungen durch die Berechtigten wünschen. Die   Bundesregierung hat hier bürokratische Hürden aufgebaut, die viele abschreckt, sich um die Hilfen zu bemühen. Für Schülerfahrten hat der Senat mit BVG, S-Bahn und VBB ein ermäßigtes Schülerticket vereinbart, das nach den Sommerferien angeboten wird. Damit entfällt hier das komplizierte Verfahren, bei dem sich die Eltern das Geld vom Job-Center oder dem  ohngeldamt nachträglich erstatten lassen müssen.

Wie geht es in den nächsten Jahren mit dem öffentlichen Dienst weiter?

Der Senat hält an seiner Zielzahl von 100.000 Vollzeitbeschäftigten in der Berliner Landesverwaltung fest, d.h. es müssen in den nächsten Jahren noch rd. 6.000 Stellen abgebaut werden, vornehmlich im allgemeinen Verwaltungsbereich. Wenn wir uns daran erinnern, dass wir nach der Vereinigung noch rd. 200.000 Beschäftigte in Berlin hatten, dann wird erkennbar, was schon geleistet wurde und dass das Ende des Abbauprozesses absehbar ist. Für den letzten Teil des Wegs müssen wir weiter über Aufgabenkritik und Effizienzverbesserungen reden, z.B. neue und bessere IT-Verfahren und die Einführung sogenannter Shared Services. Darüber hinaus müssen wir mehr für unser Personal tun, durch eine bessere Personalentwicklung etwa und ein besseres Gesundheitsmanagement. Auch die Bezahlung ist wichtig: für die Tarifbeschäftigten haben wir die Angleichung an die Bundesentwicklung der Gehälter auf den Weg gebracht, für die Beamtinnen und Beamten und die Versorgungsempfänger wird es in 2012 eine Erhöhung um 2 % geben. Wir wollen außerdem mehr Nachwuchskräfte in den öffentlichen Dienst holen und haben deshalb mit dem Haushaltsentwurf den Einstellungskorridor für die gehobene und höhere Beamtenlaufbahn und für Verwaltungsangestellte um 50 % erhöht.
Aber vor den Bürgerämtern gibt es lange Warteschlangen…
Ich verstehe, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger über unangemessene lange Wartezeiten ärgern. Das Problem scheint mir aber eher im Organisatorischen zu liegen, hier müssen die dafür Verantwortlichen etwas verändern. Vor einigen Jahren haben wir eingeführt, dass die Bürgerinnen und Bürger zu allen Bürgerämtern in der Stadt gehen können, um ihre Angelegenheiten zu erledigen. Ich empfehle: weichen Sie auf andere Ämter aus und nutzen Sie dann die Möglichkeit der Terminvereinbarung. Die Finanzämter beklagen sich, dass sie wegen zu weniger Stellen nicht mehr genau prüfen könnten und dem Staat Einnahmen verloren gingen. Wir haben mit dem Haushalt 40 neue Stellen für Betriebsprüfer bei den Finanzämtern
beschlossen. Das stellt vielleicht nicht alle zufrieden, ist aber ein ordentlicher Schluck aus der Pulle.